Bestandsmaßnahmen im Wohnungsbau intensivieren – Wechselmodelle schaffen

Bundesweit schrumpft das Angebot an Sozialwohnungen. Die soziale Wohnraumförderung wird insgesamt nur wenig nachgefragt, da sie im Wesentlichen aus Zinshilfen besteht. Die Zinsen sind aber so niedrig, dass sich für Investoren der Aufwand für die Erfüllung der Förderbedingungen nicht lohnt. Auch wenn die von der Stadt angestrebten 200 neuen geförderten Wohnungen jährlich tatsächlich errichtet werden, reicht dies noch nicht aus, um den Bestand zu stabilisieren. Immer mehr Wohnungen fallen aus der Bindung. In Bochum waren das im Jahr 2020 240 Wohneinheiten. Für viele einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen bedeutet dies ein massives Problem bei der Suche nach erschwinglichem Wohnraum. Beispielsweise haben etwa 80% aller Rentner*innen Anspruch auf geförderten Wohnraum.
Darum müssen aus Sicht der Grünen zusätzliche Anstrengungen unternommen werden, um bereits bestehende Mietpreisbindungen zu erhalten oder zu verlängern. Sie fordern jetzt das kommunale Modernisierungsprogramm auszuweiten. Das Programm war bisher auf die Cityradialen im Stadtgebiet innerhalb der Autobahnen begrenzt.
Barbara Jessel, Fraktionsvorsitzende der Grünen, erklärt dazu: „An den bundespolitisch gesetzten Regeln des geförderten Wohnungsbaus lässt sich kommunal nichts ändern. Deshalb muss die Stadt gezielt auf individuelle Vermieter zugehen und Maßnahmen im Bestand fördern. Das kommunale Modernisierungsprogramm sollte nun stadtweit ausgerollt werden, um möglichst große Wirkung zu entfalten.“
Gleichzeitig könnten, so Jessel, mit Wechselmodellen gezielte Anreize geschaffen werden, um den vorhandenen Wohnraum besser zu nutzen und vorhandene Freiflächen zu schonen. „Viele ältere Menschen leben in großen Wohnungen, obwohl die Kinder längst aus dem Haus sind. Sie wünschen sich oft kleinere und altersgerechtere Wohnungen. Auf der anderen Seite suchen gerade junge Familien größere Wohnungen oder Häuser. Die sind aber schwer zu finden. Wir brauchen ein Programm, das genau diese beiden Bedürfnislagen zusammenbringt,“ fordert Jessel. Ein solches Programm solle geförderte Wohneinheiten für ältere, insbesondere mobilitätseingeschränkte Menschen in möglichst vielen Quartieren anbieten. Ältere Menschen könnten dann wohnortnah umziehen. Die größere Wohnung oder auch das Haus könnte dann mit kommunaler Unterstützung modernisiert und preisgebunden vermietet oder verkauft werden.
Nach dem GEWOS-Gutachten der Landesregierung vom Sommer 2020 gab es 2018 in Bochum eine Versorgungslücke von 11.350 Wohnungen für über 65-jährige Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. Von diesen Menschen lebten 770 in Ein- und Zweifamilienhäusern. Nach dem Gutachten würden bei einem angemessenen Wohnungsangebot für diese Gruppe viele in barrierearme/-freie Wohnungen umziehen. Insgesamt liege das theoretische Freizugspotential durch den Generationenwechsel bis 2040 bei 4900 Ein- und Zweifamilienhäusern. Die Gutachter gehen allerdings davon aus, dass die Nachfrage nach EZFH bis 2040 in Bochum nur bei 2800 Häusern liegen wird. Die Gutachter weisen zudem auf die vielfältigen finanziellen (neue Infrastruktur) und ökologischen Vorteile hin, wenn statt der Nutzung neuer Flächen, der Bestand weiterentwickelt würde.
Bei der für 2022 anstehenden Neuauflage des Handlungskonzepts Wohnen müssen aus Sicht der Grünen außerdem jüngste Entwicklungen und aktuelle Rahmendaten berücksichtigt werden. Pierino Cerliani, Sprecher der Grünen im Strukturentwicklungsausschuss, der am 5. Mai zum Thema Wohnungsbau berät, erklärt dazu:
„Die Ergebnisse der bundesweiten Gebäude- und Wohnstättenzählung müssen, sobald sie vorliegen, einfließen, um eine realistische Aussage über Leerstände treffen zu können. Zudem braucht es dringend Untersuchungen über die tatsächlichen Bedürfnisse am Markt – die Investorenarchitektur aus der Schublade berücksichtigt in keiner Weise die veränderten Lebensweisen und -situationen der Menschen im 21. Jahrhundert – möglicherweise gibt es einen verstärkten Trend zu größeren Wohnungen, weil Homeoffice und Homeschooling immer wichtiger werden.
Demgegenüber könnte die Bedeutung von Zweitwohnsitzen in Arbeitsplatznähe abnehmen. In jedem Fall müssen im geförderten Segment deutlich mehr große Wohnungen gebaut werden, schon allein wegen der steigenden Zahl der Neugeborenen. Genauso wichtig sind barrierearme bzw. -freie Wohnungen und zeitgemäße Wohnungszuschnitte. Auch die energetische Sanierung der vielen Nachkriegsbestände muss vorangetrieben werden.“