Senior*innen blicken auf das „Ende aller Tage“

By 10. November 2022Jung & Alt

„Am Ende aller Tage“ – so lautete das Motto des ersten Thementages des Beirats „Leben im
Alter“, der bei der Stadt Bochum den früheren Seniorenbeirat abgelöst hat. Das Thema,
bewusst unverblümt und zugespitzt gewählt, machte dabei direkt deutlich: Das Gremium will
sich künftig politischer aufstellen, mit inhaltlichen Schwerpunkten, die auch „weh tun
können“, wie Vorsitzender Hermann Päuser betont. „Der Beirat will sich in alle
Angelegenheiten einmischen, die die ältere Bevölkerung unserer Stadt betreffen, und dabei
die gesamte Bandbreite des Lebens der Seniorinnen und Senioren betrachten.“
So rückte auch das Thema „Sterben“ nicht ohne Grund in den Fokus des ersten
Thementages. Vorausgegangen waren zwei Anfragen des Beiratsmitglieds Richard Rausch
zur Anzahl der Selbsttötungen und zur Ermöglichung begleiteter Suizide. Die Antwort der
Verwaltung erschien den Mitgliedern des Beirats nicht ausreichend – die Idee, einen
Thementag selbst zu gestalten, war geboren. Mit dabei als Experten: Erwin Kress als
Sprecher des Humanistischen Verbands Deutschlands (HVD), Dr. med. Birgitta Behringer,
Mitglied des Palliativnetz Bochum e.V., Paul Hüster als Leiter des Christlichen Hospizes in
Oberhausen sowie Kathrin Gondermann, die stellv. Leiterin des Hospizes St. Hildegard
Bochum. Die Moderation übernahm Beiratsmitglied Barbara Reddigau.
Unterschiedliche Perspektiven auf ein komplexes Thema – so wurde die Veranstaltung zu
einem Forum, Argumente aus der Hospizbewegung, der Palliativversorgung und der
eventuellen Möglichkeit zur Suizidhilfe zu hören.
Einig waren sich die Referent*innen beim Recht auf Selbstbestimmung. „Drei Viertel aller
Menschen in Deutschland möchten im Notfall ihr Leben selbst beenden und dazu auch auf
ärztliche Hilfe zurückgreifen können. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Recht 2020
deutlich klargestellt. Leider gibt es erneut Bestrebungen im Bundestag, dieses weitgehend
einzuschränken. Diese Bestrebungen gehen an der Lebenswirklichkeit vorbei“, schilderte
Erwin Kress vom HVD.
Die Palliativmedizinerin Dr. med. Birgitta Behringer legte ihren Schwerpunkt auf die
Versorgungsmöglichkeiten Sterbender in Bochum: „Menschen sollen so behandelt werden,
wie sie sich das wünschen – auch wenn sie nicht entscheidungsfähig sind. Dazu gehört es, sie
zu befähigen, ihre Behandlungswünsche für zukünftige gesundheitliche Krisen zu benennen
und in einer Patientenverfügung zu dokumentieren. Hierbei benötigen wir häufig eine
professionelle Unterstützung durch Gesprächsbegleiter und Standards, so wie es in vielen
Bochumer Einrichtungen der stationären Pflege und Eingliederungshilfe für Menschen mit
geistigen Behinderungen schon geschieht.“ Neu gestaltet worden sei hier von der
Ethikkommission das Projekt „Behandlung im Voraus planen (BVP)“. Das Ambulante
Ethikkomitee Bochum e.V. hat es sich dabei zur Aufgabe gemacht, das Thema in Bochum zu
forcieren.

Der Theologe und Hospiz-Leiter Paul Hüster informierte über das Leben, die Versorgung und
die Begleitung im Hospiz. „Die Hospizbewegung ist zwiespältig: sie respektiert und beachtet
die Selbstbestimmung des Menschen und damit auch den möglichen Willen, frühzeitig aus
dem Leben zu scheiden. Die Hospize sind aber vornehmlich für die Menschen da, die am
Lebensende und im Sterben bis zum Schluss begleitet werden möchten. Deshalb seien
Hospize kein Ansprechpartner für den begleiteten Suizid.“
Thema weiter diskutieren
So unterschiedlich die Meinungen und Perspektiven waren, so einig waren sich die
Mitglieder des Beirats: Das Thema bleibt weiter ganz oben auf der Tagesordnung. Schließlich
bleibt eine entscheidende Frage offen: Wie kann die Stadt Bochum die betroffenen
Menschen und die sie begleitenden bzw. repräsentierenden Verbände in jeglicher Hinsicht
noch besser unterstützen?