Geplatzter Radentscheid – Mobilitätswende findet trotzdem statt!

By 1. April 2022April 4th, 2022Verkehrswende

Ja, auch wir hätten nichts lieber getan, als die Forderungen des Radentscheids, für den etwa 17.000 Bochumer*innen unterschrieben haben, im Rat eins zu eins zu beschließen. Dass es nicht so gekommen ist, hat einen politischen und einen juristischen Grund. Der juristische: Das Gesetz in NRW stellt für Bürgerentscheide leider sehr hohe formale Hürden auf. Vereinfacht gesagt war die Formulierung des Radentscheids nicht eindeutig genug bzw. zu kompliziert. Zwei unabhängige juristische Gutachten – ein von der Stadt und ein von uns beauftragtes – kamen jeweils sehr klar zu diesem Urteil. Vor diesem Hintergrund blieb uns im Rat am 1.4. nichts anderes übrig, als die Unzulässigkeit des Radentscheids festzustellen. Deswegen wird aus der Initiative kein echter Bürgerentscheid, über den alle Bochumer*innen abstimmen. Und damit kommen wir zum politischen Grund: In anderen Kommunen haben die Räte die Forderungskataloge der Radentscheid-Initiativen – ob formal zulässig oder nicht – kurzerhand per Ratsbeschluss übernommen. Dafür gab es aber in Bochum absehbar keine politische Mehrheit, nachdem die Gespräche zwischen der Initiative Radentscheid und der SPD als größter Ratsfraktion von beiden Seiten Ende Februar für gescheitert erklärt worden waren. Nachdem politisch und juristisch nichts mehr ging, haben wir Grünen versucht zu retten, was zu retten ist und einen Ratsantrag mit der SPD und in der Folge auch mit CDU und FDP ausgehandelt, der eine ganze Reihe von Forderungen des Ratsentscheids aufgreift.

Und was ist jetzt das Gute im Schlechten?

Aus grüner Sicht ganz klar: Die jetzt gefassten Ratsbeschlüsse gehen weit über das bisher im Koalitionsvertrag mit der SPD Erreichte hinaus: Ab sofort sind jedes Jahr – auch über das Ende der Wahlperiode hinaus – durchschnittlich 20 Kilometer Radwege zu planen und umzusetzen. Von den 20 Radwegekilometern (10 Straßenkilometer) werden 7 Radwegekilometern (3,5 Straßenkilometer) auf Hauptverkehrsstraßen und 13 Radwegekilometern (7,5 Straßenkilometer) auf Nebenstraßen geplant und errichtet. Bis zum Jahr der Klimaneutralität 2035 kommen so rund 50 Straßenkilometer neue Radwege an Hauptstraßen zusammen. Dies entspräche dem Bau von Radwegen beispielsweise an folgenden Straßen: Wittener Straße, Innenstadtring, Alleestraße, Essener Straße, Wattenscheider Hellweg, Dr.-C-Otto-Straße, Universitätsstraße, Werner Hellweg, Harpener Hellweg, Viktoriastraße, Unter- und Oberstraße, Castroper Hellweg, Castroper Straße usw. Wie das möglicherweise aussehen könnte, haben wir für Euch auf Open-Streetmap visualisiert.

Mit dem Beschluss werden außerdem bis 2030 zwanzig Kreuzungen fahrradfreundlich umgestaltet. Getrennte Geh- und Radwege werden ebenso Grundsatz von Planungen wie die sogenannte ERA-Richtlinie. Bettelampeln für Radfahrende sollen dann der Vergangenheit angehören und in der Stadt sollen 5.000 neue Radabstellanlagen entstehen. Alle weiterführenden Schulen erhalten bis 2030 einen Schulradwegplan. Ein Sofortmaßnahmenpaket zur Steigerung des Radverkehrs soll noch dieses Jahr vorgelegt werden.

Dem Radentscheid und den 17.000 Bürger*innen, die sich mit ihrer Unterschrift dafür eingesetzt haben, müssen wir für ihren politischen Druck danken. Der Radentscheid hat sich, auch wenn er nicht zur Abstimmung gekommen ist, dennoch gelohnt. Er hat das Thema in Bochum omnipräsent gemacht und so den weitreichenden Beschlüssen den Weg geebnet. Selbst wenn es unter den Mitstreiterinnen und Mitstreitern jetzt einige gibt, denen der politische Kompromiss nicht ausreicht. Für uns ist das auch erst der Anfang. Denn für den ÖPNV und den Fußverkehr gibt es auch noch viel zu tun. Die Mobilitätswende in Bochum ist nicht mehr aufzuhalten.

 

Vertiefende Infos:

FAQ-Erklärvideo mit Raphael Dittert

Rede im Rat von Sebastian Pewny