Wie geht es mit den Bochumer Bädern weiter? Diese Frage beschäftigt uns seit fast 10 Jahren. Und seit ein paar Wochen sind wir im Entscheidungsprozess auf der Zielgeraden angelangt. Wir haben uns seit dem Ende der Sommerferien in drei Fraktionssitzungen und mehreren Facharbeitskreisen intensiv mit den Kennzahlen, Prognosen und Realisierungsvarianten beschäftigt, die jetzt von einem unabhängigen Gutachter vorgelegt wurden. Endlich geht die Diskussion nicht mehr nur um Einzelstandorte oder -maßnahmen wie lange Zeit. Es gibt nun – so haben wir das immer gefordert – die Chance ein Bäderkonzept für ganz Bochum zu verwirklichen. Unsere grün-interne Diskussion verlief entlang einiger wesentlicher Leitplanken. Die Gespräche mit dem Koalitionspartner SPD sind für Ende Oktober/Anfang November angesetzt. Deshalb wurden die von den Oppositionsfraktionen vorliegenden Ratsanträge in der gestrigen (7.10.) Ratssitzung zu diesem Thema von uns allesamt vertagt. Am 11. November soll der Rat dann entscheiden. Die Presseberichterstattung zu dieser sehr weitreichenden Frage läuft schon auf vollen Touren. Kein Wunder, denn wir beschließen heute über die Versorgung mit Bädern und Lehrschwimmbecken für die nächsten 30-40 Jahre. Es geht um Investitionen von 50 Mio. Euro oder mehr.
Die Diskussion um die Zukunft der städtischen Bäderlandschaft hat eine lange Historie. In Zeiten schwieriger Haushaltslagen wurde deutlich, dass die Bäderlandschaft angesichts hoher Investitionsnotwendigkeiten und hoher Betriebsausgaben einer Überprüfung bedarf. Hierbei wurden Gutachten beauftragt, welche substanzielle Veränderungen in der städtischen Bäderlandschaft vorschlugen. Im Ergebnis stellen die Überprüfungen fest, dass hohe Investitionsstaus bestehen, Besucher*innenzahlen stark gesunken und die Struktur und die Angebote nicht mehr bedarfsgerecht sind. Die in den 1960er Jahren geschaffene Bäderlandschaft in Bochum ist veraltet.
Wir haben zwar vergleichsweise viele Wasserflächen in Freibädern. Diese werden jedoch seit mindestens 20 Jahren immer weniger besucht. Das kostet unverhältnismäßig viel Geld und ist auch aus ökologischer Sicht kritisch zu sehen. Gleichzeitig fehlen uns Indoor-Wasserflächen (in Hallenbädern und Lehrschwimmbecken), die für das Schwimmenlernen von wesentlicher Bedeutung sind. Alle Bäder haben hohe Investitionsbedarfe. Diese Umstände erfordern ein politisches Gegensteuern.
Viele Jahre wurde es versäumt, unter anderem aus wahlstrategischen Gründen und wegen der jahrelangen Haushaltssicherung, die Bochumer Bäderlandschaft umfassend zukunftsfähig aufzustellen. Das vorliegende Bäderkonzept zeigt in vielen Varianten und prognostizierten Defizitentwicklungen und Investitionskalkulationen auf, dass eine politische Entscheidung zwingend Konsequenzen für die bestehenden Badstandorte mit sich bringt, die teilweise auch mit der Schließung oder Reduzierung von Angeboten einhergehen muss. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass der Rat der Stadt Bochum im Februar 2020 im Anbetracht politischen Drucks beschlossen hat, anzustreben, dass alle Bäderstandorte erhalten bleiben sollen.
Aus den politischen Beratungen in der Fraktion ergaben sich vier Leitplanken für die noch zu treffende Entscheidung
- Ökonomische Tragfähigkeit
Als die städtischen Bäder 2018 in eine privatrechtliche Struktur überführt wurden, war es erklärtes Ziel den jährlichen städtischen Zuschuss zum Verlustausgleich auf rund sieben Millionen Euro zu beschränken. Heute beträgt der städtische Zuschuss bereits rund zehn Millionen Euro. In Verantwortung vor dem städtischen Haushalt und in der Vergegenwärtigung prognostizierter Entwicklungen sollte das auszugleichende Defizit im Jahr 2030 keinesfalls höher als dem doppelten der ursprünglich fixierten Verlustausgleichshöhe betragen. Es kommen also folglich nur solche Bäderkonzeptionen in Frage, welche einen Zuschuss für 2030 von unter Vierzehn Millionen Euro erwarten. Dabei sollte die Bäderkonzeption maximal 60 Millionen Euro Investitionen (bezogen auf den heutigen Baukostenindex*) vorsehen.
- Sozialräumliche Bedeutung
Städtische Bäder sollen als Möglichkeit der Erholung und Freizeitaktivität angesehen werden und vor allem auch jenen Menschen ermöglichen Familienausflüge zu machen und Schwimmen zu erlernen, die sich beispielsweise keine Urlaube leisten können oder wollen. Die soziale Bedeutung günstiger städtischer Bäder ist nicht zu unterschätzen. Die soziale Wirkung auf Stadtteile mit schwierigem Sozialindex sind auf Strukturen, wie städtische Schwimmbäder in besonderem Maße angewiesen.
- Kommunale Daseinsvorsorge
Zur kommunalen Daseinsvorsorge gehört die Bereitstellung von städtischen Schwimmbädern, zum Erlernen des Schwimmens, zur freizeitlichen Bewegung sowie zur vereinssportlichen Nutzung. Das Vorhalten an Spaß- und Freizeitbädern ist neben dem regionalen Angebot in Form der Bäder der Freizeitmetropole Ruhr und durch private Angebote gedeckt und sollte nicht als städtische Aufgabe wahrgenommen werden. Bei der Bereitstellung städtischer Bäderwasserflächen (Bäder- und Lehrschwimmbecken) ist darauf zu achten, dass für Schul- und Vereinsschwimmen ausreichend Wasserflächen ganzjährig zur Verfügung stehen.
- Erreichbarkeit
In der gesamtstädtischen Standortfrage von Frei- und Hallenbädern ist eine gute Erreichbarkeit unabdingbar für einen erfolgreichen und zielgerechten Betrieb der städtischen Bäder, das Gleiche gilt für Lehrschwimmbecken. Daher sind Standorte mit Straßenbahnlinien oder eng getakteten Buslinien zu bevorzugen. Weiterhin sollte eine sichere Fuß- und gute Radanbindung sichergestellt sein.
Für alle, die sich näher mit dem Thema beschäftigen wollen, verweisen wir auf die Gutachten und zusätzlichen Infos der Wasserwelten Bochum, die unserer Diskussion zugrunde lagen:
Ältestenrat_TOP 1 Bäderkonzept_Versand Fraktionen
Anlage 1 Verkehrsstruktur Bäder WWB
Anlage 2 Einwohnerstruktur um die Bochumer Bäder
Anlage 3 Verkehrsanbindung Szenarien Bäderkonzept
Anlage 4 Betrachtung Freibäder und Outdoorwasserflächen
210927_Bäderkonzept_Fragen aus AR bzw. Ältestenrat vom 27.08.2021
2021-10-01_Antworten_Fragen_Bäderkonzept
Ergebnisse des Wasserflächen-Workshops (Schwerpunkt Lehrschwimmbecken) am 01.06.2021